Kinesiologisches Taping bei Rückenschmerzen

Kinesiologisches Taping gegen Rückenschmerzen

Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Problemen in Deutschland. Die Ursachen sind überaus vielfältig und die Ausprägungsformen individuell sehr verschieden - oftmals lässt sich die genaue Ursache der Schmerzen nicht mit Sicherheit feststellen. Muskuläre Verspannungen tragen aber meist sehr zur Manifestierung der Schmerzen bei. In der überwiegend konservativen Behandlung von Rückenschmerzen, ist es daher ein Ziel, das muskuläre Gleichgewicht wiederherzustellen, verspannte Muskeln zu lösen und schwache Muskeln zu stärken. Zur Behandlung muskulärer Probleme bietet sich die Anwendung von kinesiologischen Tapes an. Kinesiologisches Taping wurde als Methode unter dem Begriff Kinesiotaping in den 1970er Jahren in Japan von Kenzo Kase entwickelt und hat sich mittlerweile im Sportbereich sowie der Therapie als Behandlungsmethode - in Ergänzung zu anderen therapeutischen Maßnahmen - etabliert. Den bunten elastischen Tapes wird eine schmerzhemmende und stoffwechselverbessernde Wirkung nachgesagt, die sich positiv auf Funktionsstörungen des Bewegungsapparates auswirkt. Kinesiologisches Tape ist außerdem wirkstofffrei und sehr arm an Nebenwirkungen, was die Anwendung einfach und flexibel macht. Rückenschmerzen sind in der Praxis ein häufiges Einsatzgebiet für kinesiologisches Taping.

Welche Arten von Rückenschmerzen gibt es?

Rückenschmerzen werden synonym unter vielen Begriffen geführt. Von Lumbago, Lumbalgie, Kreuzschmerzen oder Zervikalgie, über LWS-Syndrom, HWS-Syndrom und Ischias, bis zu Hexenschuss und idiopathischen Rückenschmerzen. Alle Bezeichnungen stehen für Schmerzen im Bereich des Rückens, von der Halswirbelsäule bis zur Lendenwirbelsäule, mit oder ohne Ausstrahlung. Besonders häufig, mit über 50 Prozent, sind Beschwerden der Lendenwirbelsäule oder auch der liosakralgelenke (ISG), gefolgt von Problemen der Halswirbelsäule.

Man kann die Schmerzzustände im Rücken nach ihrer Dauer und dem Typus unterscheiden. So gibt es akute Formen, die plötzlich eintreten und kurzfristig andauern oder sich nach einem auslösenden Ereignis, wie einer falschen Bewegung, allmählich ausprägen. Oftmals sind die Beschwerden nicht Grund zur Sorge und verschwinden mit der Zeit wieder von selbst. Chronische Formen sind hingegen gekennzeichnet durch wiederkehrende langwierige Episoden. Daneben gibt es noch subakute Zwischenformen. Sollten die Schmerzen über einen Zeitraum von zwei Wochen andauern und nicht abklingen, ist ärztlicher Rat erforderlich, um der Ursache auf den Grund zu gehen.

Die Schmerzen können von radikulärer oder pseudoradikulärer Art sein. Die radikuläre Form bezeichnet Schmerzen, die von gereizten Nervenwurzeln im Bereich der Wirbelsäule ausgehen und zeigt sich in einem bestimmten Areal, das von den Nerven innerviert wird. Ein typisches Beispiel ist die Schmerzausstrahlung bis ins Bein bei Nervenwurzelirritationen des N. ischiadicus, der im Bereich der Lendenwirbelsäule austritt. Pseudoradikuläre Schmerzen sind von ähnlicher Qualität, die Nervenwurzeln sind hierbei allerdings nicht betroffen.

Wie kommt es zu Rückenschmerzen?

Eine ganze Reihe von Faktoren begünstigt die Entstehung von Rückenschmerzen oder löst diese direkt aus. Das Gesundheitsverhalten im Alltag, berufliche Dispositionen und Erkrankungen des Bewegungsapparates kommen dabei in Frage. Oftmals ist es eine Kombination verschiedener Ursachen, die zusammen ausschlaggebend sind. Sowohl körperliche als auch psychische Auslöser sind hierbei relevant. Zu den verhaltensbedingten Risikofaktoren gehören vor allem körperliche Fehlbelastung, Überbelastung und Haltungsfehler bzw. -schwächen. Eine Mangel an Bewegung durch eine fortwährend gleiche Körperhaltung, wie zum Beispiel bei andauernden Bürotätigkeiten in Sitzposition, beansprucht die Muskulatur, Bänder und Gelenke des Rückens einseitig, während andere ausgleichende Muskeln kaum gefordert werden. Es kommt zu Verspannungen und Verhärtungen der Rückenmuskulatur. Wird darüber hinaus kein Sport getrieben oder für ausgleichende Bewegungen gesorgt, entwickelt sich eine Haltungsschwäche. Die Rumpfmuskulatur im Rücken und Bauch ist geschwächt und kann die besondere Belastung nicht auffangen. Übergewicht wirkt ebenfalls begünstigend auf die Entstehung von Rückenschmerzen.

Des Weiteren gibt es verschiedene Krankheitsbilder, die sich durch Schmerzen im Rücken bemerkbar machen. Unter anderem folgende:

  • verschiedene Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, meist altersbedingt, wie z. B. Arthrose
  • Bandscheibenvorfälle (Bandscheibenprotrusion)
  • Nervenkompressionen durch Einklemmung
  • Entzündliche Prozesse der Wirbelkörper (Spondylitis)
  • Traumatische Ereignisse, z. B. Wirbelkörperfrakturen, Verkehrsunfälle und Schleudertrauma
  • Haltungspathologien wie Morbus Bechterew, die Skoliose und Morbus Scheuermann
  • Erkrankungen innerer Organe (z.B. Entzündung der Bauchspeicheldrüse, Nierensteine oder Endometriose)
  • Menstruationsbeschwerden
  • Psychosomatische Faktoren wie Stress und Depressionen

Für die Einteilung bestimmter Ursachen wird ein Flaggenmodell hinzugezogen, das hilfreich für die Diagnostik und Planung der Behandlung ist. Spezielle Symptome und Erkrankungen, die für die Rückenschmerzen verantwortlich sind, erfordern besondere Aufmerksamkeit und eine dringende Behandlung. Sie stellen „red flags“ (rote Flaggen) dar. Psychosoziale Aspekte begünstigen oft Chronifizierungen der Schmerzen. Sie müssen als „yellow flags“ (gelbe Flagge) mit einbezogen werden.

Beispiele für Red Flags (Symptome mit hoher Dringlichkeit):

  • Rückenschmerzen, die im hohen Alter auftreten, vergangenen maligne Erkrankungen, Gesichtsverlust, starke Ermüdung und nächtliche Symptome können Hinweise auf Tumorerkrankungen oder Rezidive sein.
  • Allgemeinsymptome und Fieber, die auf Infektionen hindeuten
  • Rückenschmerzen nach Unfällen oder Verletzungen können traumatisch bedingt sein
  • Ausstrahlende Schmerzen mit einer Zunahme von Sensibilitätsstörungen in den Beinen, Lähmungserscheinungen und Taubheitsempfinden (insbesondere die „Reithosen-Anästhesie“!) deuten auf schwerere Nervenläsionen hin.

Beispiele für Yellow Flags (psychosoziale Faktoren):

  • berufliche Probleme / geringe Qualifikation
  • Stress
  • Unzufriedenheit am Arbeitsplatz
  • depressive Neigungen
  • Ängste
  • Überforderung
  • Krankheitsgewinn

Aufgrund des sehr breiten Ursachenspektrums, ist die Diagnosestellung bei Rückenschmerzen nicht gerade einfach. Eine sehr genaue Anamnese der körperlichen Symptome ist grundlegend, ebenso wie eine Erfassung aller in Frage kommenden Vorerkrankungen, Verhaltensweisen sowie der individuellen Lebenssituation der Patienten. Bildgebende Verfahren wie Röntgenaufnahmen, die Computertomografie (CT), die Kernspintomografie bzw. Magnetresonanztomografie (MRT) und die Myelografie runden die Diagnostik ab, um strukturelle Auslöser und evtl. Erkrankungen auszuschließen bzw. ausfindig zu machen.

 

Video:
Anwendung

Wie können kinesiologische Tapes bei Rückenschmerzen helfen?

Kinesiologie Tapes sind mittlerweile recht weit verbreitet. Fachärzte wie Sport- und Unfallmediziner, Orthopäden sowie Sporttherapeuten, Physiotherapeuten, Heilpraktiker und Osteopathen wenden das Tape zur Ergänzung in ihrer Therapie an. Auch vorbeugend und in der rehabilitativen Phase sind sie eine gute Option.

In der konservativen Therapie von Rückenschmerzen kommen schmerzlindernde Medikamente, Massagen und Wärmeanwendungen zur Entspannung der verspannten Rückenmuskulatur sowie Bewegungsübungen zum Einsatz. Die manuelle Therapie bietet sich bei anatomischen Funktionsstörungen an, beispielsweise zur Lösung von Blockaden der Wirbelgelenke und setzt zudem Techniken zur Behandlung der Muskulatur und Faszien ein. So können zum Beispiel muskuläre Triggerpunkte und Verklebungen der Faszien gezielt behandelt werden.

Die Anwendung kinesiologischer Tapes zielt ebenfalls darauf ab, verspannte Strukturen zu locken und die Trophik im Gewebe zu verbessern, um eine Schmerzlinderung zu erreichen. Beim Taping werden die Tapes (z.B. unser SL StarTape) im Verlauf bestimmter Muskeln auf die Haut geklebt. So kann man zum Beispiel die paravertebralen Muskelstränge tapen, im Bereich der HWS ein Tape für den M. trapezius verwenden oder im Bereich der LWS eine Tape-Anlage in Sternform, bestehend aus vier Tape-Streifen in I-Form, nutzen, um Schmerzpunkte oder spezielle Segmente zu erreichen und Verspannungen zu lindern. Die hochelastischen Tape-Streifen passen sich den Körperkonturen perfekt an. Durch den auf der Rückseite in Wellenform aufgebrachten, hautfreundlichen Kleber und eine spezielle Technik werden beim Tapen Falten, sogenannte Convolutions, erzeugt. Die Haut wird leicht angehoben und das unter dem Tape liegende Gewebe entlastet und besser versorgt. Kinesiologisches Taping soll so zur besseren Durchblutung beitragen und den Lymphfluss begünstigen. Durch die mechanische Stimulation der Hautrezeptoren, die das Tape bewirkt, wird die Hemmung der Schmerzweiterleitung auf Rückenmarksebene erklärt. Neben Anlagetechniken für Muskeln werden beim Tapen auch Faszien- und Korrekturtechniken genutzt. Faszien sollen so korrigiert und gelöst werden. Das Taping kann durch bestimmte Anlagevarianten Reize setzen, die zum Beispiel die Aufrichtung der Wirbelsäule und eine Haltungskorrektur fördern. Punktuelle Tape-Anlagen werden für Schmerzpunkte verwendet. Das dem kinesiologischen Tape verwandte Cross-Tape oder Cross-Patch ist ein kleines gitterförmiges Pflaster, das ebenfalls auf Schmerz- und Triggerpunkte geklebt wird und akupunkturähnliche Wirkprinzipien verfolgt. Kinesiologisches Tape wird selbst bei radikulären Symptomen eingesetzt, da auch verschiedene Tape-Anlagen für den Bereich der Nerven, z. B. Neuropatien, entwickelt wurden.

Aufgrund der psychogenen Ursachen sind neben physikalischen und physiotherapeutischen Maßnahmen, z. B. auch Entspannungsverfahren anzuwenden. Eine Änderung der Verhaltensweise sollte geschult werden, um Veränderung der Haltungsgewohnheiten zu bewirken und das Bewusstsein für den eigenen Körper zu schulen. Die Rückenschule liefert hier im Rahmen von Kursangeboten wertvolle Tipps zu einem rückengerechten Verhalten im Alltag und einer ergonomischen Arbeitsweise. Auch die Akupunktur kann bei Rückenleiden wirkungsvoll sein.

 

Was sagt die Wissenschaft zur Anwendung von kinesiologischen Tapes bei Rückenschmerzen?

Im Allgemeinen gibt es zum Thema kinesiologisches Taping und dessen Effekten vergleichsweise wenige Daten, was wohl auch damit zusammenhängt, dass die Anwendung des Tapes erst seit einigen Jahren Einzug in die Therapie gehalten hat und die Forschung noch im Rückstand ist. Betrachtet man die Zahl an wissenschaftlichen Untersuchungen, sind diese sehr unterschiedlich in Bezug auf die verwendeten Studiendesigns, Studiengrößen, die jeweiligen behandelten Beschwerdebilder, betrachteten Parameter und die Ergebnisse. Speziell zum Thema der Wirkung einer kinesiologischen Tape-Behandlung bei Rückenschmerzen, wurden aber anscheinend im Vergleich zur Anwendung bei anderen Krankheitsbildern, gerade in den letzten Jahren vermehrt Untersuchungen und systematische Übersichtsarbeiten, die bisherige Studien miteinander vergleichen, veröffentlicht. Dabei gibt es sowohl Studien, die eine höhere Wirksamkeit von kinesiologischem Taping bestätigen als auch gegenteilige Ergebnisse. Allerdings muss hierbei kritisch beachtet werden, dass kinesiologisches Taping jeweils mit verschiedenen alternativen Therapien verglichen wurde. So wird in der Ersatz- oder Ergänzungsbehandlung mit Tape gegenüber der physikalischen und bewegungsorientierten (vgl. Kachanathu et al., 2014) oder physiotherapeutischen Therapie (vgl. Added et al., 2015) kein direkter Vorteil gesehen – im Vergleich zur reinen Entspannungs- und medikamentösen Therapie (vgl. Kelle et al., 2015) hingegen schon.

Nelson (2015) verglich die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zur Wirkung von kinesiologischem Taping bei tiefsitzenden Rückenschmerzen in einem systematischen Review. Dabei wurde zusammengefasst, dass ein geringer Anteil der Studien der isolierten oder kombinierten Anwendung von kinesiologischem Tape, im Gegensatz zur konventionellen physikalischen Therapie und Übungsprogrammen, keine höhere Effektivität zur Linderung von Schmerzen und Einschränkungen nachweisen konnte. Eine schwache Datenlage spricht für eine bessere Wirkung gegen Schmerzen und Einschränkungen gegenüber einer vorgetäuschten Behandlung mit Tapes. Eine beschränkte Evidenz besteht für eine Verbesserung des Bewegungsausmaßes. Eine sehr beschränkte Beweislage spricht für eine bessere Wirkung von Taping gegenüber der physikalischen Therapie in Bezug auf eine Verbesserung der Haltungskontrolle der Bauchmuskulatur und einer Erhöhung der Aktivität in motorischen Arealen des Gehirns. Nelson schlussfolgert, dass das kinesiologische Taping daher nicht als alleinige Therapie vorgeschlagen werden, aber in Ergänzung möglicherweise effektiver sein kann. Vor allem seien mehr qualitativ hochwertige Studien erforderlich, um diese relativ junge Therapiemethode und deren Wirkungsweise genauer zu erforschen.