Flossing ist eine relativ neue Methode, die z. B. in der Physiotherapie zur Verbesserung der Beweglichkeit, Schmerzreduktion und einer Beschleunigung der Heilung und Regeneration angewendet wird. Dabei werden die zu behandelnden Körperareale mit einem Latexband, dem sogenannte Flossband oder Flossing Band, umwickelt, um die Blutzirkulation durch starke Kompression zu unterbrechen. Währenddessen werden gezielte mobilisierende Bewegungen ausgeführt.
Die Technik ist bei unterschiedlichen Beschwerden anwendbar, die mit Bewegungseinschränkungen verbunden sind. Auch Verletzungen im akuten oder chronischen Stadium lassen sich in der Therapie mit Flossing behandeln.
Entwicklung von Flossing als Therapiemethode
Entwicklung von Flossing als Therapiemethode
Obwohl Flossing erst seit neuerer Zeit bekannt geworden ist, liegen die Ursprünge der Methode bereits weiter zurück. So existieren bereits seit längerem verwandte Trainingsformen unter den Namen Okklusionstraining, Blood Flow Restriction Training oder Kaatsu, die sich im Grunde das gleiche Prinzip zunutze machen, aber andere Zwecke verfolgen – nämlich im Sinne eines Hypertrophie-Trainings die Zunahme von Muskelmasse und Steigerung der Muskelkraft und -ausdauer.
Erste Ansätze der Anwendung von Kompression wurden schon früh dokumentiert. In der 70er Jahren gab es erste Untersuchungen zur physiologischen Wirkung solcher Maßnahmen. Hier konnte festgestellt werden, dass die Kompression verschiedene vegetative Prozesse auslöst und die Stimulation der Mechanorezeptoren in der Haut zur Dämpfung der Sympathikus-Aktivität beiträgt (postexzitatorische Depression). Als Vorreiter des Flossing gilt der amerikanische Crossfit-Trainer und Physiotherapeut Dr. Kelly Starrett. Als Weiterentwicklung zu therapeutischen Zwecken begründeten die Physiotherapeuten Andreas Ahlhorn und Ralf Blume das Medical Flossing.
Die Wirkprinzipien der Behandlung mit Flossing
Beim therapeutischen Flossing wird von drei Wirkprinzipien ausgegangen:
Der Schwammeffekt bezeichnet einen Vorgang, bei dem das extrazelluläre Gewebe durch die Okklusion wie ein Schwamm „ausgedrückt“ wird, um danach wieder Flüssigkeit aufnehmen zu können. Durch das Flossband wird die Zirkulation zunächst unterbrochen. Es kann weder venöses Blut abfließen noch arterielles Blut zufließen. Der Lymphfluss wird ebenfalls gehemmt. Oft wird bildhaft von einem Auspressen des extrazellulären Gewebes und der Muskelzellen gesprochen. Nachdem das Floss Band gelöst wird, tritt schlagartig eine Hyperämie ein. Das Gewebe wird also schwallartig mit Blut versorgt und dadurch Energie, Sauerstoff und Flüssigkeit zugeführt. Der Schwammeffekt sorgt für eine Förderung des Lymphflusses und eine bessere Versorgung des Gewebes.
Der Begriff Kinetic Resolve steht für die mechanische Wirkung auf Muskeln und Faszien und bezeichnet die Lösung von Cross-Links, die als bindegewebige Verbindungen Ursache für Bewegungseinschränkungen sein können. Durch das Flossing wird eine Verschiebung von Gewebsschichten, beispielsweise der Faszien gegen subkutanes Gewebe, Muskeln, Gelenke und Knochen erreicht. Hier bestehen Parallelen zur Faszien-Therapie, beispielsweise mit der Faszienrolle.
Als Subkutane Irritation wird die Stimulation bestimmter Hautrezeptoren über Druck- und Bewegungsreize bezeichnet. Auf Grundlage der „Gate Control Theory“ kann über externe Reize die Weiterleitung von Schmerzimpulsen auf der Rückenmarkebene bis zum Gehirn überlagern bzw. gehemmt werden. Das Flossing macht sich dieses Prinzip zunutze und kann damit zur Linderung von Schmerzen führen.
Anwendung der Flossing-Technik
Die Vorteile des Flossing liegen in der einfachen Anwendbarkeit dieser Technik. Flossing lässt sich gut in die Behandlung integrieren und kann passiv und aktiv ausgeführt werden. Da die Behandlung mit dem Flossband durchaus schmerzhaft sein kann, ist es wichtig, die Patienten vor der Therapie über die Auswirkungen aufzuklären und sich deren Einverständnis einzuholen. Nach der Behandlung können sich Hämatome und Quaddeln auf der Haut bilden. Zudem hat das Lymphgefäßsystem eine höhere Last zu bewältigen. Kontraindikationen für den Einsatz von Flossing ähneln denen für die manuelle Lymphdrainage.
Absolute Kontraindikationen, bei denen Flossing nicht angewendet wird, sind:
- maligne Erkrankungen wie z.B. Tumorrezidiven und Metastasen
- akute Entzündungen
- Thrombosen
- und Herzinsuffizienz.
Relative Kontraindikationen, die eine Anwendung von Flossing nicht ausschließen, aber eine vorherige gründliche Abwägung von Nutzen und Risiko erfordern sind:
- chronische Entzündungen
- Fieber
- Hypotonie
- Funktionsstörungen der Schilddrüse
- Schwangerschaft
- Asthma bronchiale
- offene Wunden
- Verbrennungen
- und sonstige Hautveränderungen.
Das Flossing kann je nach den vorhandenen Nebendiagnosen vom Therapeuten angepasst werden. So kann die Anlage des Flossing Bandes individuell auf jeden Patienten abgestimmt werden. Für den zu behandelnden Bereich wird der Körperteil mehrfach von proximal nach distal mit dem Floss Band umwickelt. Die Tragezeit beträgt etwa ein bis drei Minuten, währenddessen wird der Bereich aktiv durch den Patienten oder passiv vom Therapeuten mobilisiert. Die Tragezeit sollte spätestens dann beendet werden, wenn sich die Haut weißlich verfärbt, starke Schmerzen oder Taubheitsgefühle auftreten. Nachdem das Floss Band gelöst wird, stellen sich sofortige Effekte ein. Beschrieben werden häufig ein lösendes Gefühl, eine Abnahme von Schmerzen und eine Verbesserung der Beweglichkeit.
Flossing kann als Option bei myofaszialen Beschwerden, Störungen der Muskelspannung und Sportverletzungen hilfreich sein. Es kann aber auch bei Arthrose, chronischen Rückenschmerzen und vielen anderen Beschwerden des Bewegungsapparates in Erwägung gezogen werden.Wie die Methode letztendlich integriert und wie das Flossband angelegt wird, liegt aber im Ermessen des behandelnden Sport- oder Physiotherapeuten.